Der "Umgekehrte Kultus"

"Ein Kultus entsteht dadurch, 
dass er das Abbild ist von demjenigen, 
was in der geistigen Welt vorgeht." 

( R.Steiner, GA 236, S.283)  




KULTUS ...  
"von oben"  ..  oder  .. "von unten"  ?


Welcher "KULTUS" ?  :

Kirchlicher / sakramentaler / priesterlicher / sozialer / Erkenntnis- /
anthroposophischer / umgekehrter / kosmischer /
oder eben der hier behandelte "freie christliche" Kultus  ....  ?
Rudolf Steiner erwähnt desöfteren den "umgekehrten Kultus".

Zur Klärung  eine Erläuterung und Abgrenzung  (und viel Literatur dazu ;-)  :




Ein umgekehrter Kultus


wie ihn Rudolf Steiner charakterisiert, entsteht,
wenn sich eine Gemeinschaft freier, geistig strebender Menschen
zu einer gemeinsamen geistigen Arbeit zusammenfindet.
Anders als beim herkömmlichen Kultus, wie er etwa, vermittelt durch einen Priester,
in religiösen Gemeinschaften gepflegt wird,
wird hier nicht das Übersinnliche in die sinnliche Welt herab geholt,
sondern die geistig strebende Gemeinschaft erhebt sich im gemeinsamen Tun
vom Sinnlichen zum Geistigen.
Voraussetzung dafür ist, dass die Menschen in dieser Gemeinschaft
einander nicht bloß äußerlich gegenüberstehen,
sondern dass ein wirkliches  Erwachen am anderen Menschen stattfindet.
Rudolf Steiner hat dies als Musterbild für die anthroposophische Gemeinschaftsbildung  angesehen, wie sie etwa in den anthroposophischen Zweigen gepflegt werden sollte.
Doch gilt dies auch für alle anderen Gemeinschaften, deren Grundlage ein gemeinsames geistiges Streben bildet. Das kann beispielsweise eine therapeutische Gemeinschaft sein,
in der Ärzte, Pfleger und Therapeuten auf geistiger Grundlage zusammen arbeiten,
eine pädagogische oder heilpädagogische Einrichtung, aber auch ein wirtschaftlicher
bzw.. landwirtschaftlicher Betrieb usw. .
(Anthro-Wiki)


" Durch den Kultus 
wird das Übersinnliche in Wort und Handlung 
heruntergeholt in die physische Welt. 
Durch den anthroposophischen Zweig 
werden die Gedanken und Empfindungen 
der Anthroposophengruppe 
hinauferhoben in die übersinnliche Welt. 
Und wenn in der richtigen Gesinnung erlebt wird der anthroposophische Inhalt 
von einer Menschengruppe, 
wobei Menschenseele an Menschenseele erwacht,
wird tatsächlich diese Menschenseele erhoben zur Geistgemeinschaft. 
Nur handelt es sich darum, daß dieses Bewußtsein wirklich vorhanden ist. 
Wenn dieses Bewußtsein vorhanden ist 
und solche Gruppen in der Anthroposophischen Gesellschaft auftreten, 
dann ist in diesem, wenn ich so sagen darf,
 umgekehrten Kultus, 
in dem andern Pol des Kultus, 
etwas Gemeinschaftsbildendes im eminentesten Sinne vorhanden. 
Man möchte sagen, wenn man bildlich sprechen will: 
Die Kultgemeinde 
versucht die Engel des Himmels zu veranlassen, 
herunterzugehen in den Kultraum, damit sie unter den Menschen seien. 
Die anthroposophische Gemeinde 
versucht, die Menschenseelen 
zu erheben in die übersinnliche Welt, 
damit sie unter die Engel kommen. 
Das ist in beiden das gemeinschaftsbildende Element.

Aber wenn Anthroposophie dem Menschen etwas sein soll,
was wirklich in die übersinnliche Welt führt,
dann darf sie nicht Theorie, nicht Abstraktion sein.
Dann darf man nicht bloß von geistigen Wesen reden,
sondern man muß die nächsten, die unmittelbarsten Gelegenheiten aufsuchen,
um mit geistigen Wesen zusammenzusein.
Die Arbeit einer anthroposophischen Gruppe besteht nicht bloß darin,
daß eine Anzahl von Menschen über anthroposophische Ideen reden,
sondern daß sie sich als Menschen so vereinigt fühlen,
daß Menschenseele an Menschenseele erwacht
und die Menschen hinaufversetzt werden in die geistige Welt,
so daß sie wirklich unter geistigen Wesen sind,
wenn auch vielleicht ohne Schauen.
Auch wenn das in der Anschauung nicht da ist, im Erleben kann es da sein.
Und das ist dann das Stärkende, das Kräftigende,
das aus den Gruppen hervorgehen kann,
die mit richtiger Gemeinschaftsbildung eben entstanden sind
innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft."
( Rudolf Steiner, GA 257, S. 179f) 




Der umgekehrte Kultus
bewirkt das, was traditionell das Zentralsakrament bewirkt
(Messe, Menschenweihehandlung, Opferfeier).
Doch auch wenn ich den "umgekehrten Kultus" praktiziere,
bleibt dennoch die Frage
wie ich die restlichen sechs Sakramente
(Taufe, Konfirmation, Lebensschau, Bestattung, Weihe, Trauung)  vollziehe.
Prägnant ist beim umgekehrten Kultus
das aktive und freie Bemühen des Einzelnen in der Gemeinschaft,
das sich "von unten nach oben" erhebt;
und das ist eben auch die Grundstimmung im freien christlichen Impuls heute.
Hier ist nicht mehr der exklusiv geweihte "Priester", 
der allein berechtigt und befähigt und exklusiv "von oben" den Kultus herunterholt,
sondern nun sind wir alle gefordert uns hinauf zu begeben ...
So ist die Grundstimmung des "umgekehrten Kultus"
auch die für einen "freien christlichen" .
Und diese Grundstimmung 
kann dann auch ausgedehnt werden auf die weiteren sechs restlichen Sakramente :
Ich bekomme nicht  "von oben"  (und das ganz real praktisch durch ein hierarchisches Priester-Amt)  fertig,  undiskutabel, alternativlos, sakrosankt angeboten,
sondern es ist immer wieder ein neues, gemeinsames Ringen
im gemeinsamen Wahrnehmen des Kommenden,
eine neue Geburt eines gemeinsamen Kindes : "von unten"  ..
Für die Praxis, die konkreten, zutreffenden Worte für das sakramentale Geschehen
können wir in den Fassungen Rudolf Steiners ERhalten,
oder deren tiefe Weisheit auch (fast oder ganz) wortwörtlich übernehmen
(was ja in der Regel aus der dann gewonnenen Einsicht auch geschieht).
 
Die Grundstimmung des "umgekehrten Kultus" ist die des "freien christlichen" ..
aber erweitert in den ganzen Lebenskreis, in alle Lebensstationen der Sieben Sakramente.

Ist ein freiheitlicher, 
individuell in der Gemeinschaft Handelnder geschwisterlich zu ergreifender,
"freier christlicher" Kultus
die Ehe von "umgekehrten" und "sakramentalen" Kultus ?





Letztlich ...


 ...  der Weg geht weiter;
denn auch die hier propagierte, "freie christlich" Kultus-Form ist nur "Zwischen­station",
wenn auch gegenwärtig vielleicht die "fortgeschrittenste". 
Doch letztendlich soll und wird sich alles religiöse Leben, alle Liturgie
aus­gießen in das ganze Leben,
wird das Leben sakramentalisiert selbst zum Kultus,
aus einer «moralischen Intuition» eines «ethischen Individua­lismus»
(Rudolf Steiner, «Philosophie der Freiheit»)
der Verantwortung ergreift und sein Denken, Fühlen und Wollen mit dem des Christus eint 
und so Ihm direkt im DU und in der Schöpfung, in Freiheit und Liebe begegnet ... 
das will letztlich Anthroposophie ... 
und wenn das auch noch ferne Zukunft ist, die Saat müssen wir heute säen...


 

Voraussetzung zu all dem ist die Spiritualisierung des Denkens.
Erst davon ausgehend wird man dazu kommen können, nach und nach
alle Lebensbetätigungen zu sakra­mentalisieren.
Dann werden sich aus der Erkenntnis der geistigen Wirklichkeiten heraus
auch die alten Zeremonien ändern,
weil es da wo man Wirklichkeiten hat, keiner Symbole mehr bedarf.                                      
Hella Wiesberger, Einleitung zu GA 265

 

So sollen wir auf dem Wege der Anthroposophie
ausgehen lernen von der Erkenntnis,
uns erheben zur Kunst
und endigen in religiöser Innigkeit.                     
Rudolf Steiner, GA 257/2

 

Der nur hat die wahre Meinung von dem Christentum,
der durchdrungen ist von der Überzeugung,
dass alle Kirchen, die den Christus-Gedanken gepflegt haben,
alle äußeren Gedanken, alle äußeren Formen
zeitlich und daher vorüber­gehend sind,
dass aber der Christus-Gedanke sich in immer neuen Formen hereinleben wird
in die Herzen und Seelen der Menschen in der Zukunft,
so wenig diese neuen Formen sich auch heute zeigen.                             
Rudolf Steiner, 13.10.1911

 

Die Erkenntnis ist die geistige Kommunion der Menschheit. 
Ich weiß nicht, wie viele die ganze kulturhistorische Bedeu­tung
dieses Wortes ... verstanden haben.
Denn in diesem Satze war gegeben die Hinlenkung der materialistischen Auffassung
der Gottgemeinschaft zu einer spirituellen Auf­fassung der Gottgemeinschaft:
die Umwandlung des Brotes in die Seelensubstanz des Erkennens.             
Rudolf Steiner, GA 198/16

 

Friedrich Rittelmeyer:  Ist es nicht auch möglich, Leib und Blut Christi zu empfangen
ohne Brot und Wein,  nur in der Meditation?  
Rudolf Steiner: 
Das ist möglich.  Vom Rücken der Zunge an ist es dasselbe.                                                       Rudolf Steiner, GA 265, S.27

 

Die Vorschule für die mystische Vereinigung mit dem Christus ist das Abendmahl
- die Vorschule.»   
Rudolf Steiner, 7.7.1909

 

So ist spirituelle Erkenntnis eine wirkliche Kommunion,
der Beginn eines der Menschheit der Gegenwart gemäßen kosmischen Kultus.                              Rudolf Steiner, GA 219/12, S.191

 

Das Gewahrwerden der Idee in der Wirklichkeit
ist die wahre Kommunion des Menschen.             
Rudolf Steiner, GA 1b, Vorrede

 

Diese anthroposophische Bewegung ist nicht ein Erden­dienst, 
diese anthroposophische Bewegung ist in ihrer Ganz­heit mit all ihren Einzelheiten 
ein Götter-, ein Gottesdienst.  
Und die richtige Stimmung für sie treffen wir, 
wenn wir sie ansehen in ihrer Gänze als einen solchen Gottesdienst.

Rudolf Steiner, 24.12.1923, GA 260

 

Oh Mensch, erkenne dJCh selbst !  ...


   Literatur

 

  • Friedrich Benesch:  Das Religiöse der Anthroposophie. Der kosmische, der umgekehrte Kultus,   Verlag Die Pforte, Basel 1985
  • Gerhard von Beckerath:  Gespräch als Kultus: Wiederkunft, Christlicher Einweihungsweg, Bruderschaft,   Verlag am Goetheanum, Dornach 2005
  • Günter Röschert:  Das freie Erkenntnisgespräch als umgekehrter Kultus,   
    Verlag für Anthroposophie, Dornach 2010
  • Herbert Ludwig:  Das anthroposophische Erkenntnisgespräch als "umgekehrter Kultus", Verlag Ch. Möllmann, Borchen 2011
  • Paul Hofmann, Fred Poeppig:  Der umgekehrte Kultus und der kosmische Kultus,  Selbstverlag, 1990
  • Dietrich von Asten:  Kultische und geistige Kommunion,   Verlag am Goetheanum, 1985
  • Rudolf Steiner:  Anthroposophische Gemeinschaftsbildung, GA 257,
    insbesondere 9. Vortrag in Dornach, 3. März 1923


Siehe auch:  Anthro-Wiki.at  



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