HISTORIE



Vom 
geisteswissenschaftlichen Sinn 
des Kultischen 


 

» Nach den Erkenntnissen der Anthroposophie lebte die Mensch­heit in alten Zeiten 
n dem instinktiv-hellsichtigen Bewusstsein, dass alles Welt- und Menschenleben bewirkt, gestaltet und getragen wird durch die Schöpferkräfte einer göttlich-geistigen Welt. 

Dieses Bewusstsein wurde im Laufe der Zeiten immer schwächer, bis es sich 
durch das einzig auf die physischen Weltgesetze ge­richtete Verstandesdenken 
der Neuzeit völlig verlor. 

Es war dies notwendig, weil nur so der Mensch von der schöpfe­rischen Geistigkeit 
des Universums bewusstseinsmäßig unabhängig werden und sich dadurch 
den Freiheitssinn erobern konnte. 

Nunmehr besteht die Aufgabe der menschlichen Entwicklung da­rin, aus dem freien, 
von der Weltgeistigkeit nicht bestimmten In­tellekt sich das Bewusstsein 
vom Zusammenhang mit der Welt­geistigkeit neu zu erringen.

 

Diese Erkenntnis war es, die es zu einem Grundanliegen Rudolf Steiners werden ließ, 
dem modernen Verstandesdenken einen ihm gemäßen Weg 
zur Geist-Erkenntnis zu bahnen. 

Darum beginnt der erste anthroposophische Leitsatz: 

>Anthroposophie ist ein Erkenntnisweg, der das Geistige 

im Menschen zum Geistigen im Weltall führen möchte.<  1) 

Die konkreten Mittel zum Beschreiten dieses Weges finden sich im Gesamtwerk
vielfach dargestellt,
paradigmatisch in den Grund­werken >Die Philosophie der Freiheit<
und >Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?< .

 

War es den alten Kulturen selbstverständlich, dasjenige, was von kosmischer Geistigkeit 
innerlich erlebt werden konnte, im äußeren Leben durch Symbol und Kultushandlungen 
zu pflegen und da­durch das soziale Leben zu gestalten, so musste mit dem Dahin­schwinden des Bewusstseins, mit der göttlich-geistigen Welt exis­tenziell verbunden 
zu sein, auch das Verständnis für den Sinn des Kultischen verloren gehen. 
Und so können dem modernen ab­strakten Verstandesdenken, das insbesondere 
im Verlaufe des 20. Jahrhunderts zu der mehr und mehr die ganze Welt 
beherrschen­den geistigen Macht geworden ist, die überlieferten Kultformen 
eigentlich nur noch als unverständliche Relikte vergangener Zeiten gelten. ...

 

Die Menschheit ist erst im Anfange der christlichen Entwicklung. 

Deren Zukunft liegt darin, dass die Erde als Körper des Christus erkannt wird. 

Denn durch das Mysterium von Golgatha 
wurde in der Erde ein neuer Lichtmittelpunkt geschaffen; 
bis in ihre Atome hinein wurde sie mit neuem Leben erfüllt. 

Darum konnte Christus beim Abendmahl, 
als er das Brot brach, das aus dem Korn der Erde kommt, sagen: 
>Dies ist mein Leib!<, 
und indem er den Rebensaft gab, der aus dem Saft der Pflanzen kommt, konnte er sagen: 
>Dies ist mein Blut!<  ...

> Und diejenigen Menschen, welche im Stande sind, 
den richtigen Sinn dieser Worte des Christus zu fassen, 
die machen sich Ge­dankenbilder, 
die anziehen in dem Brot und in dem Rebensaft den Leib und das Blut Christi, 
die anziehen den Christus-Geist da­rinnen. Und sie vereinigen sich mit dem Christus-Geist. 

So wird aus dem Symbolum des Abendmahles eine Wirklichkeit. (R.St.)

Jedoch, so heißt es weiter: > Ohne den Gedanken, der an den Christus anknüpft 
im menschlichen Herzen, kann keine Anzie­hungskraft entwickelt werden 
zu dem Christus-Geist beim Abend­mahl. 
Aber durch diese Gedankenform wird solche Anziehungs­kraft entwickelt. 

 

Und so wird für alle diejenigen, welche das äußere Symbolum brauchen, 
um einen geistigen Actus zu vollziehen, nämlich die Ver­einigung mit dem Christus, 
das Abendmahl der Weg sein, 
der Weg bis dahin, wo ihre innere Kraft so stark ist, 
wo sie so erfüllt sind von dem Christus, 
dass sie ohne die äußere physische Ver­mittelung 
sich mit dem Christus vereinigen können. 

Die Vorschule für die mystische Vereinigung mit dem Christus 
ist das Abendmahl 
- die Vorschule. 

 

So müssen wir diese Dinge verstehen. 

Und ebenso wie alles sich entwickelt vom Physischen zum Geistigen hinauf
unter dem christlichen Einfluss,
so müssen sich zuerst unter dem Christus-Einfluss heranentwickeln die Dinge,
die zuerst da waren als eine Brücke:
vom Physischen zum Geistigen muss sich das Abendmahl entwickeln,
um hinzuführen zur wirk­lichen Vereinigung mit dem Christus. <    (R.St.  2)  ... 

 

Die andere Äußerung war die Antwort auf eine ihm, in einem persönlichen Gespräch gestellte Frage nach einem (konkret praktizier­baren -VDL)  Kultus 
für die anthroposophische Bewegung. 

Der Fragesteller, Rene Maikowski, hat dieses Gespräch wie folgt festgehalten 
und zur Wiedergabe zur Verfügung gestellt:

> So tauchte bei einigen Freunden die Frage auf, ob es wohl denk­bar wäre,
dass für die (Anthroposophische -VDL)  Gesellschaft 
auch einmal ein Kultus gegeben werden könnte. 
Die Meinungen waren geteilt. Ich wandte mich darauf - es war im Frühjahr 1923 -
mit dieser Frage an Dr. Steiner selbst, den ich wiederholt auf Reisen be­gleiten durfte. 

Zu meiner Überraschung ging er auf den Gedanken 
einer kulti­schen Arbeit für die Gesellschaft 
als durchaus positiv ein. 

Er erklärte, dass es ja vor dem Kriege auch ein Kultisches gegeben habe. 
In der Zukunft werde das aber eine andere Gestalt erhalten müssen. 

Es käme auch nicht die Form der >Christengemeinschaft< in Frage. 
Er charakterisierte darauf die andersartigen Grundlagen 
von Anthroposophie und >Christengemeinschaft<. 
Beide Bewegungen stellten einen verschiedenen Weg dar 
und hätten zum Teil ver­schiedene Meister.

 

Eine kultische Arbeit in der anthroposophischen Bewegung 

müsse aus demselben geistigen Strom hervorgehen 

wie die Schulhandlungen, 

gewissermaßen eine Fortsetzung dessen werden, 

was in Form und Inhalt in der Opferfeier 

der Schule gegeben wurde. <

 

Zu dieser neuen Gestaltung des anthroposophischen Erkenntnis­kultus 
ist es allerdings nicht mehr gekommen.

 

Nach seinem Tode versuchte Marie Steiner eine Art Ersatz zu schaffen 
durch die Art, wie sie den am Goetheanum veranstal­teten Feiern, 
insbesondere der Jahresfeste, einen künstlerisch-kultischen Charakter gab.

Rückblickend zeigt sich, dass durch die an Rudolf Steiner heran­getragenen Bedürfnisse verschiedener Lebenskreise eine Fülle von Ritualtexten entstanden ist.  ...  

 

Ein anderes Charakteristisches ergibt sich 
aus dem esoterischen Prinzip der Kontinuität, 
einem seiner wesentlichsten Leitmotive:

>Das Künftige ruhe auf Vergangenem  

Vergangenes ertrage Künftiges  

Zu kräftigem Gegenwartssein<.  3)

Wo immer es möglich war, knüpfte er um des kontinuierlichen Fortganges
der Entwicklung willen das neu Erforschte an das über­lieferte Alte an.
So auch für seine Ritualgestaltungen.
Dass es not­wendig war, die Vergangenheitsströmung zu berücksichtigen,
findet sich einmal so formuliert:
>Um die Kontinuität der Mensch­heitsentwicklung aufrecht zu erhalten,
dazu ist heute noch not­wendig, an Ritual und Symbolik gewissermaßen anzuknüpfen<  4)
ist darin doch etwas bewahrt, was wieder auferweckt werden kann
und auch wieder auferweckt werden wird,
wenn man einmal den Weg gefunden haben wird,
um die Kraft, die von dem Mysterium von Golgatha ausgeht,
wiederum in alles menschliche Tun hinein­zubringen  5) .

 

Die Frage, wie die verschiedenen Kultformen
mit diesem einen möglichen Kultus übereinstimmen,
dürfte dahingehend beant­wortet werden können,
dass die für verschiedene Lebenskreise gegebenen Kulte
- Erkenntniskult der Esoterischen Schule, 
Hand­lungen für den freien Religionsunterricht der Waldorfschule, 
kirch­licher Kultus für die >Christengemeinschaft<  -
mit diesem >einen< Kultus im Tieferen wesensgleich sein müssen. ... 

 

Aus all dem kann offensichtlich werden, dass für Rudolf Steiner 
esoterischer Erkenntniskult, freireligiöser Kultus und kirchlicher Kultus 
in keinem Widerspruch zueinander standen. 

Einmal weil ihm, wie überall, so auch in religiösen Fragen,
die Frei­heit des Einzelnen als oberstes Gebot galt
und als rechtes Christentum nur das;
welches >absolute Religionsfreiheit< möglich macht  6) .

Zum andern, weil nur durch die Ausweitung des Kultischen in alle Lebenszweige hinein 
der Weg zu dem hohen Ideal, das ganze Leben zu sakramentalisieren, 
beschritten werden kann. 

 

Die notwendige Voraussetzung dazu ist allerdings,
dass spirituelle Gedanken und Empfindungen
>ebenso weihevoll das Innere durch­dringen und durchgeistigen,
wie in dem besten Sinne der inneren christlichen Entwickelung das Abendmahl
die Menschenseele durchgeistigt und durchchristet hat<  (R.St.)

Wenn dies möglich werde, und nach Rudolf Steiner wird es mög­lich werden, 
dann sei man in der Entwicklung wiederum um eine Etappe weitergeschritten 

und es werde dadurch >wieder der reale Beweis geliefert werden, 

dass das Christentum größer ist als seine äußere Form<  7) «

 

Hella Wiesberger, GA 265, Bd.2

 

Zitate im Zitat - wenn nicht anders angegeben - von Rudolf Steiner.

 

 

 


Wenn wir den Christus-Impuls kultisch aufgreifen wollen,

haben wir dabei immer Seine Weite und Tiefe,  

aber auch die Freiheit des einzelnen Christenmenschen

zu beachten und zu bedenken ...

 

So wurzelt der »freie christliche Impuls heute«

in einem »Ethischen Individualismus«, 

der aus der individuellen, »moralischen Intuition« handeln lässt,

wie ihn Rudolf Steiner in seiner »Philosophie der Freiheit« postulierte.


Und bis in die konkrete kultische Praxis gab Rudolf Steiner
einen »spezifisch anthroposophischen« Weg
für tatsächlich freie, und dementsprechend überkonfessionelle Handlungen,
die nur IHM selbst untergeordnet und verantwortet sind.

In der
»Initiative für ein freies, anthroposophisch + sakramental vertieftes Christ-Sein heute«
findet sich der Versuch diese Quellen wieder verfügbar zu machen ...
Auch wenn "wir" dazu in vieler Hinsicht vielleicht (jedenfalls quantitativ) zu schwach dazu sind ..
aber in Demut ergriffen, kann ER Seine Gnade und Seinen Willen walten lassen:

» Christi Geist wirke in uns! «........ 






______________________________________________________

1)     Rudolf Steiner, »Anthroposophische Leitsätze«, GA 26.
         Wenn nicht anders angegeben, sind die Zitate von Rudolf Steiner.
2)     Rudolf Steiner, 7.7.1909, GA 112, S.268  &
         Maria Lehrs-Röschl zitiert R. Steiner in GA 269, S.127
3)     Aus Rudolf Steiner, »Zwölf Stimmungen« in »Wahrspruchworte«, GA 40.
4)     Rudolf Steiner 20.12.1918.
5)     Rudolf Steiner, Dornach, 29.9.1922.
6)     Rudolf  Steiner, Zürich, 9.10.1918.
7)     Rudolf Steiner, Karlsruhe, 13.10.1911.


Unübersehbar .. ergibt sich als notwendig,
dass das christliche Freiheitselement
auch dem Wesen des Kultus,
dem Sakramentalismus
einverleibt werden muss.
 
Hella Wiesberger, GA 265, S.19       
 



Geschichte
des Forum Kultus

 

Immer wieder gab es in verschiedensten Orten Arbeitskreise von Anthro­posophen,
die an der Frage - vor allem der eigenen -Bestattung arbei­teten,
weil sie nicht von der Kirche "Die Christengemeinschaft" bestattet werden wollten.  
So auch (in den 1990ern) in Unterlengenhardt. 

 

Innerhalb der "Anthroposophischen Gesellschaft" und der "Freien Hoch­schule
für Geisteswissenschaft" wurde die Frage nach einem "spezifisch anthroposophischen", 
sakramentalen Kultus seit Begründung der "Chris­tengemeinschaft" nicht mehr aufgeworfen. 

Denn nachdem 1922 auch die "Christengemeinschaft" die  - von Rudolf Steiner zuallererst
frei christlich gegebenen, aber univer­salen und somit überkonfessionellen -  Sakramente / Kultustexte ebenso bekam, wurden diese von ihr monopolisiert und tabuisiert,
die Infrage­stellung als Hybris zurückgewiesen. 
Und so war bald - bis in die 90er Jahre - ein alternatives, freies christliches Handeln
nicht mehr bekannt und möglich; ein sakramentales Handeln
(mit Ausnahme der "Schul­handlungen" in den Waldorfschulen/Heimen)
wurde unreflektiert nur noch der "Christengemeinschaft"zugestanden

 

Um diesen Fragen grundsätzlich nachzugehen begründeten Pfingsten 1996
in Unterlengenhardt
- auf Einladung von Volker David Lambertz und Dorothea Kroschel
( + Pfingsten 2019 ) - kultisch engagierte und interessier­te Anthropo­sophen
(insbesondere freie christliche Religionslehrer, Wal­dorflehrer, Altenpfleger, Heilpädagogen, u.a.)
auf der spirituellen Ebene der "Freien Hochschule für Geisteswissenschaft"
(auch unter Mitwirkung von "Lektoren" der 1.Klasse),
als einen überregionalen, allerdings auto­nomen Arbeitskreis
den "Initiativ-Kreis Kultus", das spätere "Forum Kultus",
von dem dann das "Kultus-Handbuch" (mit allen freien christli­chen Sakramentstexten Steiners) 
herausgegeben wurde.

Als Kultus-Verantwortungs-Trage-Gemeinschaft will sich die
"Initiative, freie christliche Arbeits-Gemeinschaft" bilden. 

Inzwischen arbeiten verschiedene Anthroposophen ganz individuell oder in autonomen Gruppen mit den "freien christlichen" Sakramenten!

 

Die Initiativen verstehen sich als ein "IMPULS(siehe folgend Kap. "Organisation")

 

Viele frei christlich Aktive / Gruppen sind individuell, autonom, oft im privaten Rahmen 
und oftmals (auch uns) relativ unbekannt tätig.

 

Auch das "Forum Kultus" ist nur ein Angebot, 
das inzwischen insbeson­dere die Beratungs- und Öffentlichkeitsarbeit aufgegriffen hat. 

Die "Organisation" des freien christlichen Impulses tritt nun zurück
- nachdem die Texte zur Verfügung stehen und die Thematik erarbeitet wurde -
damit immer mehr der / die Einzelne initiativ wird ... 
Denn "Freiheit" kann, soll, darf nicht "organisiert" werden...
denn jede "Organisation" zeugt Macht ..
( Das schließt allerdings nicht ein gemeinsames Wollen, 
aber eben in und aus Freiheit, aus ... )

 

Das "Büro" des Forum Kultus befindet sich z. Z. in Wahlwies am Bodensee; 
die Arbeits-Treffen finden z. Z. vor allem in Salzburg statt. 


Bitte informieren Sie sich jeweils aktuell!  
Der Impuls befindet sich in einem perma­nenten Werden 
und der Anpassung an das lebendig Erforderliche und Erfragte!



Siehe die momentan / heute bestehenden Impulse / Initiativen in :


FORUM FREIER CHRISTEN

Zur Freiheit des Christen-Menschen

Das Künftige ruhe auf Vergangenem 
Vergangenes ertrage Künftiges 
Zu kräftigem Gegenwartssein.

Rudolf Steiner

frei + christlich